Der US-Konzern Blackrock will Europas Pensionen privatisieren. Die EU-Kommission macht sich zur willigen Helferin
Wenn Larry Fink spricht, dann hört die Finanzwelt aufmerksam zu. Fink ist Gründer und Chef des Geldkonzerns Blackrock, der 6.300 Milliarden Dollar Anlagekapital verwaltet, so viel wie kein anderes Unternehmen in der Welt.
Mit diesem Geld seiner Kunden ist der Finanzriese an 17.000 Unternehmen weltweit beteiligt und Großaktionär bei allen Großkonzernen in Europa und den USA. Wer mit dieser Macht im Rücken Forderungen stellt und Programme ankündigt, der verheißt neue Geschäfte. […]
Deshalb sei es nötig, die Arbeitnehmer zum Sparen und Investieren am Aktienmarkt zu motivieren, um sie an den Kapitalgewinnen zu beteiligen. Eine gesetzliche Garantie auf das angesparte Kapital wie in Deutschland sei da aber hinderlich. Besser sei es, diese Garantie auf einen kleinen Anteil zu beschränken, und das europaweit. „Den europäischen Sparern fehlen zuverlässige Daten und die Anleitung, wie man investiert und für die Zukunft plant“, mahnte Fink. Das müsse sich ändern. […]
Nur ein halbes Jahr nach Finks Appell in Frankfurt präsentierte in Brüssel Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Regulierung der Finanzmärkte, einen Gesetzentwurf für ein „europaweites privates Altersvorsorgeprodukt“, in der englischen Abkürzung „PEPP“ genannt (Pan-European Personal Pension). Kapitalgarantien sind darin nicht vorgesehen, sondern lediglich ein „Qualitätssiegel“, mit dem die Finanzkonzerne in allen EU-Staaten gleichzeitig ihre Fonds als Altersvorsorge vermarkten können. Also genau das, was Fink gefordert hatte – und das mit den gleichen Argumenten. Europa stehe vor einer „nie da gewesenen demografischen Herausforderung“, sagte Dombrovskis. Die daraus resultierende „Rentenlücke“ werde „den Druck auf die öffentlichen Finanzen“ enorm steigern, dagegen gelte es eine private Rentenvorsorge auf europäischem Niveau zu schaffen. […]
Parallel dazu verzehnfachte der Geldriese seit 2011 die Ausgaben für EU-Lobbying von 150.000 auf 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Seitdem erscheinen Blackrock-Lobbyisten auch vielfach auf den Terminlisten von EU-Kommissar und Vizepräsident Valdis Dombrovskis und seinen leitenden Beamten. Allein im Jahr 2017 traf sich der Kommissar zweimal mit Konzernvertretern. Auch Kabinettschef Jan Ceyssens und der zuständige Generaldirektor Olivier Guersent hatten Rendezvous mit Blackrock-Beratern.
Anders als die Rhetorik von Konzernchef Fink und Kommissar Dombrovskis suggeriert, bietet der PEPP-Vorschlag für das „europäische Altersvorsorgeprodukt“ denn auch keine Lösung für Europas demografisches Problem, sondern nur für die Expansionspläne von Blackrock. Denn gerade jene Arbeitnehmer, denen wegen der Kürzungen in den staatlichen Umlagesystemen Altersarmut droht, verfügen in der Regel nicht über genug Einkommen, um solche Fondsanteile zu kaufen. Für sie wären vielmehr Reformen nach dem Vorbild der Schweiz oder Österreichs sinnvoll. Dort sind anders als in Deutschland alle Einkommen beitragspflichtig, auch jene von Selbstständigen und Führungskräften. Darum können die Rentenkassen dort auch bei niedrigen Geburtenraten auskömmliche Renten zahlen. Die Einnahmen wachsen mit der Wirtschaftsleistung. „Im Kern steht bei dem Vorschlag der Kommission gar nicht die Sorge um die Einkommen der Rentner“, kritisiert darum der linke EU-Abgeordnete Martin Schirdewan. Vielmehr gehe es der EU-Behörde „um die Öffnung eines neuen Marktes für die Finanzindustrie“.
Quelle: der Freitag
Anmerkung Lutz Hausstein: Schon mehrfach wurde sich auf den NachDenkSeiten mit den Umtrieben von BlackRock beschäftigt. Für einen kurzen Überblick empfehle ich Ihnen, sich die Artikel mit dem speziellen Schlagwort “BlackRock” noch einmal anzuschauen. Es sind nicht allzu viele und sie eröffnen – kompakt gelesen – eine noch tieferen Einblick in diese Materie.
Ergänzung Albrecht Müller: Das ist in der Tat ein interessanter Artikel und bestätigt alle auf den Nachdenkseiten schon seit längerem geäußerten Befürchtungen. Mit der Empfehlung im letzten wiedergegebenen Absatz liegen die Autoren allerdings ziemlich falsch. Es ist eine weitverbreitete Mär, mit der Öffnung der Rentenversicherung für Beamte, Selbständige und so weiter werde das Problem gelöst. Das ist schlicht falsch. Man kann diesen Ausbau zur Bürger Versicherung machen und er ist sicher aus verschiedenen Gründen auch richtig. Aber die gesetzlichen Rentenversicherungen lassen sich auch ohne diese schwer erreichbare Erweiterung wieder zu leistungsfähigen Altersvorsorgesystemen machen.
dazu: Studie Mehr als jeder Zweite steigt vorm Rentenalter aus
Gut die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland geht laut einer Studie der Techniker Krankenkasse vor dem offiziellen Rentenalter in den Ruhestand. Deshalb nütze es wenig, das Alter “immer weiter hochzuschrauben”.
Quelle: Spiegel Online