Hamburger Soziologe Sighard Neckel über die Krise nach der Coronakrise und was dagegen zu tun ist.
(…) Aber es gibt Börsianer, die gerade sehr aktiv sind.
Schwerreiche Hedgefonds wie Bridgewater wissen schon, warum sie mit Milliardensummen auf den Absturz des Aktienmarkts und den Zusammenbruch vieler verwundbarer Firmen wetten…
Nach Corona könnte eintreten, dass auch unter den Großen nur diejenigen überleben, deren hohes Vermögen auf Wertschöpfung nicht angewiesen ist, während ein langer Shutdown zu massenhaften Insolvenzen und Jobverlusten führt, weil die Leute weder investieren noch konsumieren noch arbeiten können…
Es war während der Finanzkrise kaum möglich, die Wetten von Hedgefonds gegen Währungen oder Konzerne zu verhindern. Das scheint sich nun zu wiederholen. Gibt es Mittel gegen solch zynisches Marktverhalten?
Natürlich gäbe es sie, sie liegen in unserer politischen Hand. Die Wetten der Hedgefonds operieren mit sogenannten Leerverkäufen, die uns schon bei der Finanzkrise 2008 mit in den Abgrund gerissen haben. Dabei leiht man sich gegen geringe Gebühren bei Fondsgesellschaften entsprechende Aktienpakete aus und verkauft sie an der Börse in dem Kalkül, sie zu einem späteren Zeitpunkt viel günstiger wieder einzukaufen. Das wird Leerverkäufe genannt, weil man Aktien verkauft, die man eigentlich gar nicht besitzt, und die nur für Wetten auf fallende Kurse eingesetzt werden
(…) Wie es aussieht, stellt das Virus gerade die Systemfrage. Trauen Sie dem Markt eine Regeneration zu oder drohen handfeste gesellschaftliche Konflikte?
Die freigesetzten Marktkräfte haben zu einer drastischen Fehlbewertung gesellschaftlicher Aufgaben und wirtschaftlicher Leistungen geführt. Das wird uns jetzt im sozialen Ausnahmezustand von Tag zu Tag klarer. Aus dem Niedriglohnsektor wurde buchstäblich über Nacht der Garant der kritischen Infrastruktur…
Ja, wir brauchen eine Art Infrastruktursozialismus, der nicht nur die elementaren Funktionen als hochwertige öffentliche Güter betreibt. Ja, wir brauchen eine Umwertung der ökonomischen Werte. Die Nützlichkeit und Unverzichtbarkeit gesellschaftlicher Leistungen muss in der Staffelung von Erträgen vorrangig sein. Wir können ziemlich sicher auf etliche Consultants und Derivatehändler verzichten, aber auf keine einzige Pflegekraft im Krankenhaus…
Quelle: Berliner Zeitung
Anmerkung J.K.: Auf die fatale Wirkung der Leerverkäufe hat Jens Berger bereits hingewiesen. Nun rächt sich wieder einmal die Untätigkeit der Politik bzw. deren Willfährigkeit gegenüber der globalen Finanzindustrie.
Ausbaden dürfen es wieder Millionen Menschen die durch den ökonomischen Schock, der durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde ihre Existenzgrundlage verlieren werden.