Die SPD hat seit 2002 fast 6 Millionen Stimmen verloren und absolut nur noch knapp 10 Millionen Wähler, seit 1998 hat sie somit die Zahl ihrer Wähler halbiert. Nach ARD-Rechnung sind allein bei dieser Wahl 1,8 Millionen SPD-Wähler zu Hause geblieben. 1,22 Millionen haben stattdessen die Linke gewählt und jeweils knapp 890.000 die Union und die Grünen. Und sogar zur FDP sind 540.000 SPD-Wähler abgewandert.
Von den 26 Wahlen seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün im Jahre 1998 hat die SPD bis zur letzten Bundestagswahl 2005 17 verloren. Seit der Großen Koalition hat die SPD in Banden-Württemberg (- 8,1 %), Bayern (- 1% auf niedrige 18,6%), Bremen (- 5,5 %), Hessen (2009) (- 13%), Mecklenburg-Vorpommern (-10,4%), Niedersachsen (-3,1%), Nordrhein-Westfalen (-5,7%), Saarland (-6,3%) weitere 8 Wahlen verloren. Nur Berlin plus 1%, Rheinland-Pfalz +0,9, Sachsen +0,6% auf gerade mal 10,4%, Sachsen-Anhalt + 1,4%, gab es kleine Zuwächse, etwas größere in Thüringen +4% (auf mäßige 18,5%) und Hamburg + 3,6%.
Nach jeder verlorenen Wahl und schon gar bei leichten Gewinnen trat die Parteiführung im Willy-Brandt-Haus in Berlin auf und redete die Ergebnisse schön, etwa mit dem Hinweis, es sei eben nicht gelungen das Wählerpotential auszuschöpfen und das werde sich alles bis zur Bundestagswahl zum Besseren wenden, zuletzt bei der Europawahl, wo die SPD bei noch mieseren 20,8% gelandet ist. Nun ist es noch schlimmer gekommen als selbst die schlechtesten Umfragewerte vorausgesagt haben.
Wer nun, nachdem die SPD auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, vermutet hätte, Müntefering und Steinmeier würden endlich nach den Ursachen fragen und Konsequenzen aus ihrem totalen Scheitern ziehen, der sah sich am Wahlabend gründlich getäuscht. Steinmeier ließ sich grinsend wie ein Honigkuchenpferd feiern und redete von einem „bitteren Tag für die deutsche Sozialdemokratie“, gerade so als wäre auch diese Katastrophe für die SPD ein Betriebsunfall und das obwohl er bei einem Ergebnis unter 25 Prozent angeblich die Konsequenzen ziehen wollte.
Sowohl Steinmeier als auch Müntefering bramarbasierten schon wieder, dass es „nicht gelungen ist, alle unsere Wähler an die Wahlurnen zu bekommen“ und dass viele „Nichtwähler“ eigentlich „Sympathisanten“ der SPD seien.
Die durchgängige Sprachregelung der SPD-Spitze war: nicht Müntefering und Steinmeier haben die Wahl verloren, sondern „alle in der SPD“ bzw. „die gesamte Partei“ (Wowereit). Daran ließ sich schon das Abschieben der eigenen Verantwortung der Parteispitze erkennen.
Steinmeier redete darüber, dass die SPD „elf Jahre einen guten Beitrag für die Zukunft des Landes“ geleistet habe, man habe das Land „modernisiert“, es sei „stärker“ und „weltoffener“ geworden, man habe die Arbeitnehmerrechte verteidigt, die Mitbestimmung erhalten, Mindestlöhne angestrebt. Man sei stolz auf den Atomausstieg. Man müsse nun in der neuen Rolle darauf achten, dass die „soziale Balance“ erhalten bliebe.
Steinmeier redete nicht darüber, dass ein Wahlkampf durch die Absage an die Linke ohne jede Regierungsoption aussichtslos war, er sprach nicht über die Absurdität mit der FDP ein Bündnis zu schließen und er sagte auch nichts darüber, dass die Neuauflage der von der Bevölkerung ungeliebten „Großen“ Koalition sein einziges Ziel war.
Vor allem über eines redete er überhaupt nicht, nämlich über die Agenda-Politik. Sie war jedoch entscheidender Ausgangspunkt und Ursache für das sich nun über Jahre hinziehende Desaster für die SPD. Hartz IV und die Rente mit 67 sind für fast zwei Drittel der angestammten SPD-Wählerklientel der Grund warum sie zu der Linken abgewandert sind oder gar nicht erst gewählt hat.