Für die Politik ist es höchste Zeit, die einseitig exportorientierte Ausrichtung der deutschen Wirtschaft zu beenden. Das ist möglich und sinnvoll: Durch eine Strategieänderung würde im Saldo sogar zusätzliche Beschäftigung in Deutschland entstehen. Vor allem aber würde der Euroraum stabilisiert. Auch die extremen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der großen Wirtschaftsnationen, die wesentlich zur aktuellen Wirtschaftskrise beigetragen haben, würden wenigstens von deutscher Seite verringert.
Zu diesem Schluss kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer neuen Studie. Ohne Korrektur der Wirtschaftsstrategie würden nach dem Ende der Wirtschaftskrise nicht für alle Jobs, die jetzt in Deutschland verloren gehen, neu entstehen, warnen die Konjunkturexperten in ihrer Untersuchung, die heute als IMK Report erscheint.
“Die Wirtschaftskrise wirkt in mehr als einem Sinn wie ein Erdbeben. Sie war auch eine Reaktion auf die enormen Spannungen in der Tektonik der internationalen Wirtschaftsbeziehungen”, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. “Sie führt uns vor Augen, dass eine globalisierte Wirtschaft nicht funktionieren kann, wenn ein kleiner Kreis von Ländern - in den letzten Jahren vor allem Deutschland, China und Japan - riesige Exportüberschüsse erzielt, während eine andere Gruppe - insbesondere die USA, Spanien und Großbritannien - riesige Leistungsbilanzdefizite aufhäuft. Wir haben also gar keine Alternative dazu, unser Wirtschaftsmodell zu überdenken - die anderen Staaten dürften es auch tun”, so Horn.
Die Ökonomen empfehlen für Deutschland einen Pfad “balancierten Wachstums”, auf dem die Binnennachfrage eine größere Rolle spielt als im vergangenen Jahrzehnt. “Dies bedeutet nicht, dass die Exporte reduziert werden müssten, sondern, dass in Zukunft eben auch die Importe nach Deutschland sich im Gleichklang mit den Exporten bewegen sollten”, betont Horn. “Es geht also nicht um eine verminderte Integration der deutschen Wirtschaft in das weltwirtschaftliche Gefüge. Im Gegenteil, es geht vielmehr um deren nachhaltige Stabilisierung.” Hätte sich die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren am mittelfristigen Produktivitätswachstum plus der EZB-Zielinflationsrate orientiert, wäre sie mit jährlich drei Prozent deutlich höher ausgefallen als in der Realität. Die höhere Lohnsteigerung hätte zwar zu etwas geringeren Exportanstiegen und höheren Importen geführt. Wegen der verbesserten Kaufkraft hätten sich aber auch privater Konsum und inländische Nachfrage besser entwickelt. Die Beschäftigung wäre um rund ein Prozent höher gewesen. Angesichts der Größe Deutschlands hätten die Zuwächse in der Binnennachfrage die Außenhandelsverluste mehr als kompensieren können, resümiert das IMK: Wachstum, Löhne, Verteilung und Arbeitsplätze hätten sich besser entwickelt. Zugleich wären nicht so hohe destabilisierende Außenhandelsüberschüsse entstanden.
Quelle 1: Hans-Böckler-Stiftung, Zusammenfassung