Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, Herr Fleischhauer. Aber es gibt da draußen Menschen, die jeden Tag um ihr Überleben kämpfen müssen. Mit Knochenjobs und schlecht bezahlter Arbeit. Die nicht nur einen Job haben, um über die Runden zu kommen, sondern 2-3 Jobs. Die sich als Taxifahrer, Bauarbeiter, Kfz-Schlosser, Putzkräfte oder selbstständige Unternehmer mit einem kleinen Laden durchschlagen
Und sie leisten für diese unsere Gesellschaft wichtige, unersetzliche Arbeit. Sind diese Menschen schlechte Eltern, wenn ihre Kinder Probleme in der Schule haben? Wenn, angesichts der Schwierigkeiten, mit denen sie kämpfen müssen, die Zeit und die Energie vielleicht nicht reicht, um abends noch mit dem Kind die Hausaufgaben zu erledigen?
Der wirtschaftliche Erfolg von Deutschland ist auch auf dem Rücken dieser Malocher aufgebaut. Spätestens seit den Arbeitsmarktreformen Gerhard Schröders ist der Niedriglohnsektor in Deutschland explodiert. Auch deshalb ist Deutschland eine führende Exportnation, wie selbst die wirtschaftsliberale OECD erkannt hat. Ich glaube, Sie wissen das. Aber Sie sind ein Journalist, der soziale Ungleichheit in seinen Texten oft leugnet oder relativiert. Wissen Sie, was es bedeutet, wenn eine Familie sechs Monate auf den Lohn warten muss, weil ein Arbeitgeber nicht zahlt? Wenn sie sich deshalb verschuldet? Was das für einen Verzicht, für eine Wut, eine Verzweiflung bedeutet? Was es auch für einen Stolz bedeutet dennoch weiterzumachen, sich durchzuschlagen? Nicht in Staaten wie Chile, Mexiko oder Kasachstan. Sondern in Deutschland. Hierzulande.
Quelle: Zebrabutter