Wohnungsnot ist keine Naturkatastrophe. Sie zeigt vielmehr, dass die Politik das Problem in weiten Teilen Deutschlands über Jahre verschlafen oder bewusst ausgeblendet und viele Menschen schmählich im Stich gelassen hat. Soziale Verantwortung – Fehlanzeige.
Wie viele Menschen bundesweit auf der Straße leben, wird noch nicht einmal in einer offiziellen Statistik erfasst.
Dabei ist die Hauptursache für Obdachlosigkeit, dass bezahlbare Wohnungen fehlen. Sozialen Wohnungsbau hat man über Jahre deutlich zurückgefahren, viele städtische Wohnungen privatisiert, Grundstücke an Investoren verkauft. Die Zahl der sogenannten gebundenen Sozialmietwohnungen ist nach Angaben der Bundesregierung bundesweit von mehr als zwei Millionen im Jahr 2006 bis Ende Dezember 2015 auf rund 1,3 Millionen und damit auf sechs Prozent des deutschen Bestandes an Mietwohnungen geschrumpft.
Die Annahme, der Markt reguliere sich selbst, hat sich nicht bestätigt. Mieten steigen nicht nur in Großstädten rasant. Natürlich gibt es Regionen mit Leerstand, aber dort fehlen Jobs. Die Zuwanderung durch Flüchtlinge hat die Wohnungsknappheit verschärft – aber keineswegs verursacht! Gerade dadurch ist der politische Druck, endlich zu handeln, größer geworden.Den Ernst der Lage können oder wollen offenbar immer noch nicht alle Politiker erkennen. Dabei mahnt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslose (BAGW) seit mehr als zwanzig Jahren, dass sich die Not verschlimmere, weil immer mehr Menschen mit wenig Einkommen um immer weniger bezahlbare Wohnungen konkurrieren. Mit 15,7 Prozent erreichte die Armutsquote laut einem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtverbandes aus diesem Jahr einen neuen Höchststand in Deutschland. Besonders betroffen: Erwerbslose, Alleinerziehende, Migranten, kinderreiche Familien, und vor allem alte Menschen. Sie alle konkurrieren um preiswerte Wohnungen – und einige bleiben auf der Strecke.Dabei ist Wohnen ein Menschenrecht. Es gibt deshalb keine Entschuldigung dafür, dass sich die Politik nicht längst parteiübergreifend und bundesweit dafür einsetzt, dass dieses Recht allen Menschen in Deutschland zuteil wird – nicht zuletzt, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich erkenne meinen SPIEGEL nicht mehr wieder, der jahrzehntelang für Sozialabbau, Lohnsenkungen und die Agenda 2010 getrommelt hat. Nur in einem Punkt kann ich nicht zustimmen: das waren keine „verheerenden Versäumnisse“ oder ein „Versagen der Politik“, das war im Gegenteil genau so politisch gewollt. U. a. konnten die vielen hundert Milliarden Euro, die für die Menschen „unten“ nicht mehr ausgegeben wurden, fleißig nach oben geschaufelt werden, zu den Reichen und Superreichen. Maßgeblich unterstützt von einem Hamburger Nachrichtenmagazin.