Die SPD-Kreistagsfraktion und die Neumarkter 2. Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger wollen Landrat Willi Gailler und die anderen Kreistagsfraktionen für ein innovatives Modellprojekt gewinnen, das die Fähigkeiten von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen für den lokalen Arbeitsmarkt nutzt und sowohl für die Flüchtlinge als auch den Landkreis Vorteile bringt.
Der Kreistag solle sich intensiv mit der Thematik eingehend befassen.
Die Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion lobten unisono die Arbeit von Dr. Gerhard Pfohl, der am Landratsamt für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig ist. Der Sozialreferent setzt im Gegensatz zu den üblichen großen Heimen auf sozialverträgliche, dezentrale Standorte mit Platz für zwei oder drei Familien. Dies sei gut für die Asylbewerber und schaffe hohe Akzeptanz in der heimischen Bevölkerung, so dass es in Neumarkt keine größere Konfliktsituationen gebe. Nach Aussagen Pfohls leben derzeit knapp 400 Bewerber im Landkreis und er habe demnächst in 25 Einzelunterkünften möglichen Platz für 550 Menschen.
Die SPD-Kommunalpolitiker sehen auch keinen Grund zu unangebrachten Aufgeregtheiten, denn vor 20 Jahren habe der Landkreis Neumarkt 1000 Asylbewerber aufgenommen und betreut. Angesichts von aktuell 45 000 Asylbewerbern in Bayern könne man auch keineswegs von einer "Flüchtlingsflut" sprechen, denn allein die Türkei habe eine Million Kriegsflüchtlinge aus dem Irak und Syrien aufgenommen.
Zwischen 50 und 100 Flüchtlinge kommen derzeit jede Woche in der Oberpfalz an, von denen der Landkreis Neumarkt 10,5 Prozent übernehmen und unterbringen muß.
Nach Diskussion des neuen Asylrechts, wonach Serbien, Bosnien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden und den damit einhergehenden positiven Begleiterscheinungen einer größeren Freizügigkeit, früherer Arbeitserlaubnis, Ausweitung der sog. Residenzpflicht kam man in der Runde einstimmig zu der Ansicht, der Landkreis NM biete sich für ein Modellprojekt an, das auf einen raschen Eintritt der meist motivierten und qualifizierten Flüchtlinge in die örtliche Arbeitswelt abzielt (als Bäcker, Metzger, Baufacharbeiter,Techniker, Ingenieure, Pfleger usw ). Fraktionsvorsitzender Helmut Himmler wurde beauftragt , ein solches "Pilotprojekt" im Zusammenwirken mit der Landkreisverwaltung und den anderen Fraktionen Kreistag zu initiieren.
Der Landkreis habe eine sehr geringe Arbeitslosenquote, sogar akuten und stetig zunehmenden Bedarf an Fachkräften. Asylbewerber verdrängen deshalb keine deutschen Arbeitnehmer aus ihren Arbeitsstellen. Die Asylbewerber entkämen der belastenden, oft jahrelang sich hinziehenden Langeweile. Sie kämen durch Arbeitseinkommen für ihren eigenen Lebensunterhalt auf. Der Staat würde Einsparungen erzielen. DGB-Kreisvorsitzender Michael Meyer merkte an, dass es dabei aber nicht um Ausbeutung im Rahmen von Ein-Euro-Jobs gehen dürfe, sondern um vernünftige Arbeitseinkommen. Wie die Gastarbeiter sollen diese neuen Arbeitnehmer Steuern und Beiträge in die Sozialkassen einzahlen und durch ihr Einkommen die lokale Kaufkraft und den Konsum erhöhen.
Hierzu wären nach Forderung von Josef Mayer ausreichend viele Sprachkurs-Angebote erforderlich. Dr. Pfohl wies darauf hin, dass die Sprachkurse terminlich so gelegt werden könnten, dass das ÖPNV-Angebot genutzt werden kann. Die dem Vernehmen nach beabsichtigte zweite Betreuerin für die Flüchtlingssozialarbeit wird von der Fraktion begrüsst. Ein Schluessel von einer Sozialarbeiterin pro 100 Asylbewerbern sei - so die Dietfurter Bürgermeisterin Carolin Braun -dringend anzustreben.
Der Pyrbaumer Kreisrat Dirk Lippmann meinte, der in mancher Hinsicht innovative Landkreis Neumerkt könne in der Asylpolitik einen neuen Weg mit großer Außenwirkung gehen. Man müsse den Weg der Integration von Flüchtlings-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik unter Einbeziehung der lokalen Akteure in diesem Bereich testen.
Die SPD-Lokalpolitiker wollen bei der Flüchtlingspolitik keine Abschiebe-Stimmung, sondern eine Willkommens-Kultur. In Parsberg habe man nach Aussage von Stadt- und Kreisrat Erwin Jung lange Erfahrungen mit Asylbewerbern und in der Bevölkerung gebe es großes Verständnis und Hilfsbereitschaft für Menschen, die um ihr und das Leben ihrer Kinder bangen müssen und daher Sicherheit in der Fremde suchen. Unser Land mit immer geringeren Geburtenzahlen könne für die zunächst Fremden durchaus neue Heimat werden.