Dass die Bundesregierung derzeit dabei ist, den abschüssigen Weg vom traditionellen Völkerrecht hin zur Begründung militärischer Aggression durch angebliche Legitimität zu beschreiten, haben am Wochenende Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bestätigt.
Am vergangenen Freitag ist ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages bekannt geworden, das die Bombardierung Syriens durch die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich am 14. April in völkerrechtlicher Hinsicht untersucht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es sich bei dem Angriff im juristischen Sinn um eine “Repressalie” gehandelt habe – eine “Gegenmaßnahme” militärischer Art gegen Aktivitäten eines anderen Staats, in diesem Fall gegen den – angeblichen oder tatsächlichen – Einsatz von Giftgas durch Syrien. Repressalien, so heißt es in dem Dokument, “sind grundsätzlich unzulässig”.[1] Das gelte “auch dann, wenn eine Regierung eine zentrale Norm des Völkerrechts verletzt hat”. Anstelle von Repressalien sehe das internationale Recht, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt worden sei, eindeutig “rechtsförmige Mechanismen” vor, um Normenverletzungen zu sanktionieren – “sei es im Rahmen der Chemiewaffenkonvention, sei es im Rahmen des Völkerstrafrechts”. Daran ändere auch der Einwand der Bundesregierung nichts, der UN-Sicherheitsrat sei bezüglich des Syrien-Kriegs nicht handlungsfähig, da Russland sich dort den Vorstößen der westlichen Mächte verweigere. Dass die Aggressoren vor dem Bombardement nicht einmal die Untersuchung der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) am Schauplatz des – angeblichen oder tatsächlichen – Giftgaseinsatzes abgewartet hätten, falle bei der völkerrechtlichen Beurteilung des Angriffs “umso mehr … ins Gewicht”.
(…) Dass die Bundesregierung derzeit dabei ist, den abschüssigen Weg vom traditionellen Völkerrecht hin zur Begründung militärischer Aggression durch angebliche Legitimität zu beschreiten, haben am Wochenende Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bestätigt. Bereits unmittelbar nach dem Bombardement Syriens am 14. April hatte Kanzlerin Angela Merkel erklärt, der völkerrechtswidrige Angriff sei “erforderlich und angemessen”.[8] Ähnlich hatten sich weitere deutsche Regierungspolitiker geäußert, darunter Außenminister Heiko Maas (SPD). Jetzt kündigt Verteidigungsministerin von der Leyen – in Kenntnis der Einstufung des militärischen Überfalls durch die deutschen Parlamentsjuristen als völkerrechtswidrig – an, einer deutschen Beteiligung an derlei Attacken stehe grundsätzlich nichts entgegen: “Was in diesem Fall Großbritannien aus der Luft beigetragen hat, könnten wir auch leisten”. Berlin sei nur “diesmal nicht gefragt worden”.[9]
Quelle: German Foreign Policy
Anmerkung WM: Die Äußerungen der Verteidigungsministerin sind skandalös.
Trotz Kenntnis der völkerrechtswidrigen Umstände des Angriffs auf Syrien am 14. April bedauert sie scheinbar immer noch „diesmal nicht gefragt worden“ zu sein um mitzumachen. Das Völkerrecht passt offenbar nicht in ihr transatlantisches Konzept. Einer deutschen Beteiligung an derlei Attacken steht aber laut von der Leyen beim nächsten Mal dann grundsätzlich nichts entgegen. Allein schon für solche Äußerungen müsste Frau von der Leyen zurücktreten. Die Mehrheit der Deutschen ist da zum Glück noch anderer Meinung anders als sie.
Zum Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags siehe hier ausführlicher.